Als Jean Todt 2008 die FIA-Präsidentschaft übernahm, sagte er klar, dass er nur eine Amtszeit bleiben wolle. Der Franzose galt als Interimskandidat. Nach der Regentschaft von Max Mosley, der mit seinen Idee (Budgetkappung, Einheitsmotor für alle FIA-Serien usw.) für eine Menge Unfrieden gesorgt hatte und dank des Skandals auch international den Ruf der FIA gefährdete, brauchte man einen Mann, der mehr im Hintergrund arbeiten konnte. Todt wollte erst nicht, ließ sich dann bitten und trat an, als er vor der Wahl schon eine Mehrheit hinter sich wusste.
Für Bernie Ecclestone bedeutete der Rücktritt von Mosley eine Schwächung, hatten die beiden doch zusammen mehr als 10 Jahre im Gleichschritt gehandelt. Mosley war stark genug, um sich auch gegen die französische Opposition in der FIA durchsetzen zu können. In diese Zeit fällt auch die etwas ominöse Verpachtung der F1-Namensrechte an Bernie für die nächsten 100 Jahre. 360 Millionen Euro hat die FIA dafür bekommen. Der Deal war und ist allerdings innerhalb der FIA umstritten, auch wenn es angeblich eine Ausstiegsklausel gibt, sollten sich die Besitzverhältnisse der Formel Eins ändern.
Die Stimmung zwischen Bernie und Todt war nie besonders gut, in den letzten Jahren ist in Richtung Nullpunkt abgekühlt. Ecclestone sieht die FIA als Anhängsel, die FIA darf in Absprache mit den Teams das technische Reglement bestimmen, die Strecken abnehmen, soll sich um die Sicherheit kümmern und einen Kalender (den Bernie vorschlägt) durchwinken. Den Rest erledigt er. Ein paar Jahre funktionierte die "Nicht-Zusammenarbeit" auch ganz gut. Todt kümmerte sich wenig um die F1, gab in Sachen Motor nach (6-Zylinder zugunsten von 4-Zylindern) und hielt die Teams bei Laune.
Aber hinter den Kulissen braute sich wohl Ärger zusammen, und wie schlecht die Stimmung im Moment ist, sieht man zwei Beispielen. Zum einen dem Concorde Agreement. Mittlerweile haben alle Teams wohl unterschrieben, die FIA aber nicht. In Ungarn unterschrieb Todt eine Absichtserklärung, dass man einen Rahmenvertrag für das Concorde Agreement aushandeln will. Eine Null-Aussage, also. Weitere Fortschritte sind seitdem nicht zu sehen. Ecclestone verkündete schon, dass er die FIA auch nicht benötigen würde. Der Deal zwischen ihm (CVC) und den Teams würde reichen, um die Show weiterlaufen zu lassen. Dummerweise regelt die Vereinbarung aber auch die Zahlungen, die die FIA erhält. Ecclestone machte also klar: Jeder bekommt sein Geld, die FIA nur, wenn sie unterschreibt.
Ein zweites Beispiel ist die Reifenfrage. Die FIA hat sich in diesem Jahr auffallend kritisch mit Pirelli auseinandergesetzt. Mal abgesehen davon, dass Pirelli einen schlechten Reifen gebaut hat, haben die Italiener das gemacht, weil die FIA mehr Stopps im Rennen sehen wollte. Um dann Pirelli jedwede Unterstützung zu verwehren. Der Hintergrund hierfür wurde im Frühsommer klar, als durchsickerte, dass Michelin über eine Rückkehr in die F1 nachdenkt.
Auch denn die FIA sich offiziell nie zu Michelin geäußert hat, wurde es in den letzten Monaten offensichtlich, dass Jean Todt die französische Marke gegenüber Pirelli präferiert. Bis heute gibt es keinen Vertrag zwischen der FIA und Pirelli, was das Jahr 2014 betrifft. Tatsächlich obliegt es der FIA (Artikel 25.1 der Sport Regularien) einen Reifenhersteller für die F1 zu verpflichten. Auf der anderen Seite hat Ecclestone klar gemacht, dass die FOM (Vermarktungsgesellschaft der F1, gehört der CVC/Bernie) schon einen Deal mit Pirelli für 2014 hat, die Sponsorenflächen an den Strecken seien vergeben. Ebenso hätten diverse Teams sich schon mit Pirelli geeinigt.
Es kracht also ganz offen an zwei Fronten. Bernie will der FIA (Todt) zeigen, dass sie in "seiner" Serie nichts zu melden hat, die FIA hätte gerne mehr Geld aus dem Verpachtungsdeal, was Ecclestone wohl im Moment verweigert.
Dabei geht es Ecclestone nicht um Geld, die 20 Millionen im Jahr, die die FIA zusätzlich haben möchte, zahlt er aus der Portokasse. Es geht, wie immer, um Macht.
Und damit wieder zurück zu Wahl des FIA-Präsidenten, die im Dezember stattfinden wird. Auftritt: David Ward. Der leitete seit 12 Jahren die FIA-Stiftung, eingesetzt wurde er unter Max Mosley, die beiden haben in der Regentschaft Mosley einiges auf die Beine gestellt, darunter die "Road to safety" Kampagne. Ward hat in den 90er Jahren als Berater in der britischen Politik gearbeitet, danach in Brüssel, bis er 2001 die FIA-Stiftung übernahm. Ward gilt als sehr gut vernetzt ist motorsportbegeistert und hat vor allem auch gute Kontakte zum F1-Technical-Board, jenem Gremium, in dem Vertreter der Teams die technischen Regularien austüfteln.
Ward hatte im Juli angekündigt, dass er über eine Kandidatur nachdenken würde, was nicht anderes, als ein Test war, wie seine Rückendeckung aussieht. Und die scheint gut zu sein, denn sonst hätte er heute nicht seine tatsächliche Bewerbung um die Präsidentschaft preisgegeben. Als Begründung nannte er, dass zu einer echten demokratischen Wahl immer zwei Kandidaten und eine lebendige Diskussion gehören. Oder anders gesagt: Er macht deutlich, dass der Kurs von Jean Todt nicht der richtige ist.
Inwieweit Bernie Ecclestone seine Finger im Spiel hat, lässt sich schwer sagen. Mit ziemlicher Sicherheit wird er Fragen zu Ward abblocken und darauf hinweisen, dass es Sache der FIA sei, wen sie wählen. Sein Ruf bei der FIA ist, auch angesichts der Anklage wegen Bestechung in Deutschland, angeschlagen, eine direkte Unterstützung von Ward könnte dessen Kandidatur eher beschädigen als helfen.
Klar ist aber, dass der Herbst politisch wird, auch in der F1. Ward wird sich positionieren müssen, ein Programm vorlegen und spätestens dann wird es klar, ob Ecclestone einen zweiten Mosley an seiner Seite haben will.
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